Muster-Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (MIndBauRL) – Fassung Juli 2014
Die aktuelle Fassung der MIndBauRL (Stand 2014) ist auf die DIN 18230-1 (Fassung 2010-09) abgestellt und bietet neue Gestaltungsmöglichkeiten für Industriebauten gegenüber den früheren Fassungen der MIndBauRL (Stand 2000) in Verbindung mit der DIN18230-1 (Fassung 1998-05).
von Dr.-Ing. Jürgen Wiese
Die ARGEBAU hat ein fortgeschriebenes Muster der Industriebaurichtlinie im Juli 2014 veröffentlicht. Inzwischen haben die meisten Bundesländer diese Richtlinie als allgemein anerkannte Regel der Technik bauaufsichtlich eingeführt.
Ursächlich für die seinerzeitigen Fortschreibungen der Richtlinie waren Anpassungserfordernisse an die DIN 18230-1 (Fassung September 2010). Diese Normfassung berücksichtigt u.a. in besonderer Weise Deckenöffnungen als Öffnungen für den Wärmeabzug und somit als Brandschutzmaßnahmen. Mit dieser normativ veränderten Bewertung der Kubatur bzw. der „Geschossigkeit“ im Rechenverfahren der DIN waren zunächst unmittelbar entsprechende Anpassungen im Abschnitt 7 der MIndBauRL erforderlich.
Die frühere MIndBauRL in der Fassung von 2000 war auf die DIN 18230-1 in der Fassung von 1998 abgestellt. Die Verwendung der DIN 18230-1 in der Fassung von 2010 konnte mit dieser Fassung der MIndBauRL nicht bzw. nur in speziellen Ausnahmefällen zusammen angewendet werden.
Im aktuellen Bewertungssystem der Geschossigkeit wird i. W. unterschieden zwischen ‚klassischen‘ Geschossen, die mit öffnungslosen Geschossdecken voneinander abgetrennt werden, und Ebenen, die als geschossähnliche Räume mit nichtraumabschließenden Ebenendecken gebildet werden.
Im Zuge der Gesamtbetrachtungen der Richtlinie erwies es sich als erforderlich, die Zulässigkeit von Decken in Form von ‘Emporen und Galerien’ neu zu regeln. Dabei wurde eine Korrektur dieser bislang per se zulässigen Deckenfelder vorgenommen und das Sicherheitsniveau für solche Bauweisen neu kalibriert. Die ‘Freistellungsgrenze’, wonach solche Deckenfelder bislang je Raum bis zu 50% der Raumgrundfläche als ein Brandrisiko betrachtet worden waren, das sich der Gesamtraumkubatur als vergleichsweise unwesentlich unterordnet, wurde aufgegeben. Dieses Risiko wurde neu bewertet und als zu hoch eingestuft. In der Folge wurden für solche Gebäudeteile die Regelungen für Ebenen aufbereitet und für kleinere Deckenfelder als ‘Einbauten’ neu geschaffen.
Abgestellt auf die Begriffe der Ebenen, Ebenendecken, Geschosse, Geschossdecken und der Einbauten mussten diverse Formulierungen der ‚Allgemeinen Anforderungen’ redaktionell angepasst werden. Wegen der neu geregelten Gestaltungsmöglichkeiten der Geschossigkeit ergaben sich Zwänge, eine Reihe von materiellen Regelungen des Abschnitts 5 zu überprüfen und zu ändern. Davon sind i. W. die Regelungen der Rettungswege und der Fassaden unmittelbar betroffen.
Weitere wesentliche Änderungen betreffen die Rauchableitung, die für Industriebauten sehr ähnlich wie für die ebenfalls geänderten Anforderungen für andere Sonderbauten vollständig neu formuliert und geregelt werden mussten.
Das ‚vereinfachte Verfahren‘ des Abschnitts 6 bleib weitgehend unverändert – bis auf notwendige redaktionelle Anpassungen an die neue Musterbauordnung.
Im Abschnitt 7 – Verfahren mit rechnerischer Brandlastbewertung – wurde i. W. das Verfahren zur Ermittlung der zulässigen Brandbekämpfungsabschnittsfläche vollständig neu gefasst und an dem Sicherheitsniveau der Richtlinienfassung von 2000 kalibriert. Dieses Verfahren bietet dem Bauherrn jetzt wesentlich mehr Gestaltungsfreiheit bei der Ausnutzung des Hallenvolumens. Mit dieser Freiheit ist zwingend der Gebrauch der DIN 18230-1 verbunden, wodurch auch die Erwartung genährt wird, dass künftig wesentlich häufiger auf das Nachweisverfahren des Abschnitts 7 zurückgegriffen werden wird als bislang.
Der Wegfall der erleichternden Regelungen der Richtlinie von 2000 zu ‚Emporen und Galerien‘ kann nur zum Teil durch die Anordnung von sogenannte ‚Einbauten‘ ersetzt werden. Größere nicht raumabschließende Deckenfelder erfordern Nachweise als Ebenen – und das ist vorzugsweise mit dem Verfahren nach Abschnitt 7, der Bewertung der Brandlasten und der Anwendung der DIN 18230 zulässig.
Für spezielle Nachweise können selbstverständlich Verfahren des Brandschutzingenieurwesens herangezogen werden. Die Richtlinie hat keine Änderungen des diesbezüglichen Anhangs 1 erfahren, das grobe Anhaltspunkte für solche Nachweise vorgibt. Diese Stichpunkte konnten zwischenzeitlich durch eine neue Norm – DIN 18009-1 „Brandschutzingenieurwesen – Grundsätze und Regeln für die Anwendung“ – normativ ergänzt werden.
Im Rahmen von Diskussionen kann auch auf weitere Fortschreibungen der MIndBauRL eingegangen werden, die vor dem Jahreswechsel 2018 / 2019 der Öffentlichkeit in einem Anhörungsverfahren vorgestellt worden sind: Betroffen von den aktuellen Fortschreibungen der Richtlinie sind u. a. folgende Aspekte in Stichworten:
- Ermöglichung von brandschutztechnisch nicht bemessenen Holzkonstruktionen im Verfahren nach Abschnitt 6
- Ersatzformulierungen für „erdgeschossige Industriebauten“
- Bewertung von Kellergeschossen bzw. von Geschossen mit Fußböden, die mehr als 1m unter der Geländeoberfläche liegen, sowie ggf. erweiterte Möglichkeiten zur Errichtung von Geschossen und Räumen unter der Geländeoberfläche
Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing.
Jürgen Wiese
Wissenschaftlicher Leiter der Sachverständigenpartnerschaft ,Halfkann & Kirchner/Erkelenz
Mitglied und Obmann diverser regelsetzender Gremien insbesondere zum Brandschutz für Ingenieurwesen und Industriebauten Referent und Dozent an verschiedenen Aus- und Fortbildungsstätten